Impulse aus dem Täter-Opfer-Ausgleich

vonSolveig Grundler
am5. November 2016

Die „Wiedergutmachungs-Konferenz“ – hinter diesem sperrigen und für meinen Geschmack auch etwas pathetischen Titel verbirgt sich ein einfaches und sehr überzeugendes Verfahren um nicht nur „Täter“ und „Opfer“ über den jeweiligen Vorfall und die Folgen ins Gespräch zu bringen, sondern auch das jeweilige Umfeld. Andrea Bruhn, langjährige Mitarbeiterin des Jugendamts Stuttgart und dort seit vielen Jahren für den Täter-Opfer-Ausgleich engagiert, hat zusammen mit Ihrem Kollegen Wolfgang Schlupp-Hauck das Verfahren entwickelt und Agorakomm im Rahmen einer Veranstaltung des „Zwischenraum“ Dießen, vorgestellt. Ziel war es gemeinsam zu überlegen, wie sich die positiven Erfahrungen mit diesem Ansatz auf andere Kontexte übertragen lassen.

Das Anliegen der Wiedergutmachungskonferenz ist, auch die Sichtweise und persönliche Betroffenheit der Angehörigen, Freunde, Nachbarn – je nach Situation – mit einzubeziehen. Also den Kreis zu vergrößern. Dadurch weitet sich einerseits der Blickwinkel auf das Geschehen und die Folgen, gleichzeitig entstehen durch die jeweiligen persönlichen Bindungen und Beziehungen zum Täter oder Opfer ganz eigene Dynamiken für den Klärungsprozess. Doch je größer der Kreis der Teilnehmenden, um so schwieriger ist es im Rahmen der Mediation auch wirklich alle mit ihren persönlichen Befindlichkeiten zu hören.

Die Lösung ist so einfach wie bestechend: Fünf im Lauf der Jahre mit viel Bedacht herausgearbeitete Kernfragen werden nacheinander allen Beteiligten gestellt. Der Mediator oder die Mediatorin achtet dabei darauf, den genau festgelegten Wortlaut nicht zu verändern und leitet durch die Fragen ohne jedoch intensiv aktiv zuzuhören. Der Effekt: Durch die sehr gezielt formulierten Fragen entsteht, wie wir in einem Rollenspiel selbst erleben konnten, in relativ kurzer Zeit ein sehr umfassendes und jeweils sehr persönliches Bild der Situation. Und ganz organisch entwickelt sich daraus in der Klärungsphase ein erstaunliches interaktives Miteinander. Voraussetzung für das Gelingen dieses Verfahrens ist, dass sich die Konferenzteilnehmer alle auf ein und dasselbe Ereignis beziehen, dass sie jeweils persönlich in irgendeiner Weise betroffen sind und dass sie alle Interesse an einer Lösung haben. Unser Eindruck: ja, das ist ein sehr durchdachtes und gutes Konzept. Ja, wir können uns vorstellen, damit in höher eskalierten Konfliktfällen zu arbeiten und werden das bei Gelegenheit ausprobieren. Aber an dem Namen – da waren wir uns auch mit Andrea Bruhn einig – daran sollte man noch feilen.

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